Ohne die Hilfe ihrer Babylotsin Ute Mordeja – da ist sich Emma Bushin-Reimann sicher – hätte sie die erste Zeit nach der Geburt ihrer Tochter Sophia nicht bewältigen können. Sophia kam in der 27. Schwangerschaftswoche viel zu früh im St. Bernward Krankenhaus (BK) zur Welt, mit einem Geburtsgewicht von gerade einmal 785 Gramm. Für Mutter Emma und Vater Michael Bushin-Reimann war Sophia bereits die zweite Frühgeburt, auch Sohn Vallen kam 2019 zu früh zur Welt. Damals habe sie keine Begleitung durch Babylotsinnen gehabt und sei mit der Situation völlig überfordert gewesen, erinnert sich Emma Bushin-Reimann. Das sei dieses Mal ganz anders: „Dank der Hilfe der Babylotsinnen fühle ich mich wie eingehüllt in eine Geborgenheitsblase, die uns trägt. Ich weiß einfach: Da ist jemand, an den ich mich immer wenden kann.“
Seit 2019 beteiligt sich das St. Bernward Krankenhaus am bundesweiten Babylotsen-Programm, das der frühen Gesundheitsförderung und dem vorbeugenden Kinderschutz dient. Jährlich nehmen hier zwei Babylotsinnen mit knapp 1400 Familien Kontakt auf, etwa ein Drittel davon benötigt eine weitere Begleitung oder Beratung. „Viele Familien brauchen zum Beispiel Unterstützung im Wochenbett oder Hilfe bei Antragsstellungen“, berichtet Ute Mordeja, die seit mehr als 27 Jahren als Hebamme und seit zwei Jahren als Babylotsin im Einsatz ist. Die Babylotsinnen schaffen das, was in der ambulanten Versorgung oft nicht möglich ist: Sie erreichen fast jede Familie. „Als Krankenhaus sind wir hier ein guter Andockpunkt“, stellt Karen Thiele, Geschäftsführerin des BK, fest.
Im BK sind die beiden Babylotsinnen direkt im Krankenhaus angestellt. Das sei jedoch eher eine Seltenheit, sagt Karen Thiele. In vielen Kliniken können Babylotsen nur über Spenden finanziert werden – oder oft auch gar nicht. Um auf die unzureichende Finanzierung aufmerksam zu machen, besucht die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, derzeit verschiedene Geburtskliniken in Deutschland, darunter auch das St. Bernward Krankenhaus. In Hildesheim wird sie von der neuen Direktorin des Caritasverbandes für die Diözese Hildesheim,
Dr. Marie Kajewski, begleitet. „Ich bin ein großer Fan des Babylotsen-Programms. Die Zeit direkt nach der Geburt hier in der Klinik zu nutzen, um Müttern und Vätern mit Problemen Hilfsangebote zu machen, ist großartig“, sagt Welskop-Deffaa.
Doch die fehlende Finanzierungssicherheit erschwere für viele Kliniken den Einstieg in das Programm. Die Caritas setze sich deshalb seit langem für eine Regelfinanzierung ein. Ganz aktuell hat sich der Arbeitskreis der Sozialpolitischen Sprecher in einem Brief an die jeweiligen Landesgesundheitsminister gewandt. Im Schreiben an Minister Philippi heißt es unter anderem: „Die Wirksamkeit für Familien, aber auch die entlastende Wirkung für das medizinisch-pflegerische Personal an Geburtskliniken ist wissenschaftlich vielfach belegt.“
Am 12. und 13. Juni steht die Finanzierung des Babylotsen-Programms erneut auf der Tagesordnung der 97. Gesundheitsministerkonferenz in Travemünde. „Ich setze große Hoffnung in die Konferenz der Gesundheitsminister der Länder, dass sie sich auf eine Regelfinanzierung dieses Programms einigen“, betont Welskop-Deffaa.
Bundesweit gibt es an fast 100 Geburtskliniken Babylotsinnen. 2023 erreichten sie mehr als 36.000 Familien. Die Lotsinnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen der Klinik und psychosozialen Hilfen. Dank des frühzeitigen Kontakts zu den Familien fallen Belastungen und Krisen früh auf – ob es nun um Verständigungsschwierigkeiten, Probleme des Melderechts oder Anzeichen von Armut oder psychischer Erkrankung von Mutter oder Vater geht.
„In der sensiblen Phase der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt sind die Mütter und Väter oft viel offener für Gespräche und Hilfsangebote“, berichtet Ute Mordeja von ihren Erfahrungen. Auch aus diesem Grund sei es sinnvoll, das Babylotsen-Programm fest in den Krankenhäusern zu verankern.