Sie wollen gar nicht wissen, wie viele Merci, Milkaherzen & Co. ich unten am Kiosk schon gekauft habe. Die Mitarbeiter dort kennen mich und fragen dann: „Na, was haben Sie dieses Mal wieder gemacht?“ Aber wissen Sie, wenn ich mich mit einer Kollegin oder einem Kollegen gestritten habe, dann gehört es auch dazu, sich zu entschuldigen. Ich gehe dann runter zum Kiosk und kaufe Schokolade. Denn ich möchte nicht, dass sie oder er sauer und traurig nach Hause geht. Ich möchte die Dinge gern aus dem Weg räumen, bevor die Schicht beziehungsweise der Tag vorbei ist.
Jeder von uns arbeitet hier unter einem enormen Druck. Egal, welches Krankenhaus Sie nehmen, wir alle haben Personalnot. Der pflegerische Beruf, aber auch der medizinische Bereich wurden mit den Jahren für viele immer unattraktiver. Gerade in der Pflege bleiben viele junge Menschen nicht mehr ihr komplettes Berufsleben in ihrem Job. Auch wir im BK haben das schon zu spüren bekommen. Ich bin daher froh, dass sich hier in den letzten Jahren in den Strukturen vieles zum Positiven verändert hat und der Fokus auch stark auf die Mitarbeiter gelegt wird. Das BK lässt sich viel für die Menschen hier im Haus einfallen. Sei es das kostenlose Eis im Sommer oder die Erdbeeraktion, bei der die Geschäftsführung kiloweise Erdbeeren verteilt hat. Die Möglichkeit, über Hansefit zu trainieren, finde ich wirklich eine richtig gute Sache. Außerdem habe ich ein tolles Mountainbike über BusinessBike geleast und natürlich mag ich die legendären BK-Weihnachtsfeiern.
Wann stand für Sie fest, dass Sie Arzt werden wollen?
Für mich selber stand das nie fest. Ich komme ursprünglich aus Syrien. Mein Vater ist Apotheker und Offizier in der Armee. Er und meine Mutter haben entschieden, dass ich in Deutschland Medizin studiere. Anschließend sollte ich zurück nach Syrien kommen und in die Armee gehen. Auch meine drei Schwestern sind Ärztinnen. Mein Vater war sehr streng. Sein Fokus lag ganz klar auf Schule und Sport. Als hochrangiger Offizier hat er zum Beispiel alle zwei Wochen unsere Schule besucht, um sich über unsere Leistungen zu informieren. Freitags, was in Syrien sozusagen das Wochenende ist, hat uns unser Vater um 7.30 Uhr geweckt, um mit uns für die Schule zu lernen.
Wie alt waren Sie, als Sie nach Deutschland gekommen sind?
Ich kam im Dezember 2002 nach Leipzig und bin wenige Tage später 18 geworden.
Konnten Sie zu dem Zeitpunkt schon etwas Deutsch sprechen?
Nein, ich konnte nur „Hallo“ und „Tschüss“ sagen. Mehr nicht. Aber ich habe gleich eine Deutschschule besucht und im Juli 2003 meine DSH-Prüfung abgelegt, um die Zugangsberechtigung zur Hochschule zu erlangen. Mein Medizinstudium begann dann im Oktober 2003.
Ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine fremde Kultur und das mit Anfang 18. Dazu ein Medizinstudium in einer unbekannten Sprache. Das stelle ich mir sehr schwierig vor.
Im ersten Jahr meines Studiums habe ich nur eine einzige Prüfung bestanden. Ich habe nicht mal die Multiple-Choice-Fragen verstanden. Mit der Fragestellung „Was trifft zu?“ war ich völlig überfordert, da ich nicht einmal wusste, was „trifft zu“ bedeutet.
Sie haben sich trotzdem nicht unterkriegen lassen? Für jemanden, der bis dato auf Erfolg trainiert wurde, ist das bestimmt sehr frustrierend?
Absolut. Ich kam mir wie ein Versager vor. In meiner Seminargruppe war ich der einzige Student mit Migrationshintergrund. Und dieser „Seminargruppe 5“ habe ich alles zu verdanken. Sie haben mir sozusagen den Arsch gerettet. Denn diese Menschen haben nicht nur mein Problem erkannt. Nein, sie haben sich aufgeteilt und jeder von ihnen hat mit mir ein Fach gepaukt. Sie haben mich wie eine Familie aufgenommen. Ich habe im Studentenwohnheim gewohnt und wenn sie feiern gegangen sind und ich nicht mitwollte, sind sie gekommen und haben mich einfach mitgezerrt. Ohne diese wunderbaren Menschen würde ich hier heute nicht sitzen. Wissen Sie, ich bin nicht so der emotionale Typ. Aber immer, wenn ich an diese Zeit denke, bin ich ergriffen. Ich liebe diese Menschen und ich bin ihnen zutiefst dankbar.
Aber aufzugeben war für Sie nie eine Option?
Natürlich kam der Gedanke ab und zu. Aber wenn man mit 17 aus einer orientalischen Gesellschaft nach Deutschland kommt, verliebt man sich sehr schnell in die Freiheiten, die man hier hat: Ausgehen, Freunde, Party, Disco, Meinungsfreiheit. Aber nicht nur das: Ich habe hier in Deutschland innerhalb kürzester Zeit ein soziales Leben gehabt und ich wurde ganz wunderbar aufgenommen. Ich bin hier in einen Schwimmverein eingetreten, in dem ich sofort viele Freundschaften geschlossen habe. Auch wenn man es mir nicht ansieht, weil ich jetzt deutlich mehr wiege.
(lacht) In Syrien war ich Leistungssportler im Schwimmverein der Armee. Um genau zu sein: Langstreckenschwimmer.
Und all diese Menschen haben dafür gesorgt, dass ich nicht aufgebe. Sie haben mich immer wieder aufgebaut, wenn ich einen Tiefpunkt hatte. Da ich in den Semesterferien nicht nach Hause geflogen bin, hat sich auch ganz nebenbei mein Deutsch deutlich verbessert. Nach ungefähr anderthalb Jahren des Versagens, kam dann so langsam die Wende und ich konnte erste Erfolge feiern.
Sie sind Vater einer kleinen Tochter. Erziehen Sie Ihre Tochter ähnlich, was den Sport und die Schule betrifft?
Nein. Meine Tochter hat viele Freiheiten. Aktuell hat sie ihre Trotzphase. Ich lasse sie manchmal gewinnen, aber sie bekommt auch Grenzen von uns aufgezeigt. Wenn es aber um Religion, Studium oder Sexualität geht, möchte ich, dass sie sich ihr eigenes Bild macht und ihre eigenen Entscheidungen trifft. Okay, ich wünsche mir, dass sie auch Ärztin wird und die Praxis übernimmt. Aber wenn sie das nicht möchte, werde ich sie nicht dazu zwingen. Aber hey, das behaupte ich jetzt. Wer weiß, wie ich in der Zukunft denke, wenn diese Entscheidungen wirklich anstehen.
(lacht)Wächst Ihre Tochter zweisprachig auf?
Nein, sie wächst dreisprachig auf.
(lacht) Meine Frau kommt aus Zypern. Deshalb spricht meine Frau Griechisch mit ihr. Ich spreche mit Helena Arabisch und natürlich reden wir auch Deutsch mit ihr. Und mit ihren zweieinhalb Jahren spricht sie somit die drei Sprachen fließend, was mich unheimlich stolz macht.
Haben Ihre Geschwister auch in Deutschland studiert?
Nein. Meine älteste Schwester ist Pädiaterin und Chefärztin in Damaskus. Die Mittlere hat ihr Studium in Syrien abgeschlossen, ist mit ihrem Mann nach Rumänien gezogen und macht dort ihre Facharztausbildung in der Gynäkologie. Meine jüngste Schwester habe ich 2015 wegen des Krieges nach Deutschland geholt. Da war sie 18. Sie studiert in Hannover Medizin. Und auch hier bin ich vielleicht nicht unbedingt die Art große Bruder, die mein Vater sich wünschen würde. Ich kontrolliere meine Schwester nicht. Ich mache ihr keine Vorschriften. Sie soll ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Ich habe ihr gesagt: „Pass auf, lüg mich bitte nicht an. Das würde ich eh rausbekommen. Wenn Du was brauchst, sag es mir. Dann bin ich da.“
Für Sie ist die Rückkehr nach Syrien aber keine Option mehr?
Ich habe schon nach einem Jahr beschlossen, nicht mehr nach Syrien zurückzukehren. Denn hier in Deutschland habe ich gelernt, dass man seine Meinung ehrlich sagen und vertreten darf und kann. Natürlich hat das in meiner Familie zu Problemen geführt. Meine Familie wollte meinen Entschluss nicht akzeptieren und hat mir sozusagen den Geldhahn zugedreht.
Also habe ich nebenbei angefangen zu arbeiten, um mein Studium zu finanzieren. Ich habe als Übungsmeister in der Schwimmhalle gearbeitet, habe Schwimmunterricht gegeben, habe gekellnert. Und ich habe im Blutabnahmedienst gearbeitet. Es war schon eine harte, aber schöne Zeit. Am letzten Wochenende im Monat habe ich in sämtlichen Hosen- und Jackentaschen nach Geld gesucht. Da hat man die Münzen gesammelt, um sich noch ein Bier zu kaufen und in die Disco gehen zu können.
(lacht) Obwohl es das letzte Geld war, das man hatte. So verantwortungslos, beziehungsweise sorglos waren wir damals.
Wie ging es nach dem Studium für Sie weiter?
Ich war pleite und musste unbedingt Geld verdienen. Deshalb brauchte ich vor Ende meines Studiums einen Arbeitsvertrag. Meine damalige Freundin und heutige Frau hat zu der Zeit in Hannover Medizin studiert. Kennengelernt haben wir uns in Leipzig im Deutschkurs. Sie hatte die Fernbeziehung satt und meinte: „Pass auf, wenn Du mit Deinem Studium fertig bist, ziehst Du zu mir nach Hannover.“
Zu der Zeit wollte ich Neurochirurg werden und ich hatte in einer renommierten Klinik – dem INI in Hannover – ein Vorstellungsgespräch. Das war im August 2010, also drei Monate bevor ich mit dem Studium fertig war. Das Vorstellungsgespräch bei Professor Samii lief gut und er sagte, dass er sich bei mir melden werde. Wochenlang passierte nichts. Auch auf meine Nachfragen gab es keine finale Antwort. Irgendwann war die Zeit knapp und ich dachte mir: Gut, dann versuche ich es in der Urologie. Ich habe mich in Hannover im Friederikenstift beworben, hatte gleich bei dem Chefarzt mein Vorstellungsgespräch und innerhalb weniger Tage meinen Arbeitsvertrag vorliegen. Und dann sah ich die Stellenausschreibung vom BK, griff zum Hörer und hatte Frau Freimuth, die ehemalige Sekretärin des Chefarztes der Urologie, am Telefon, die mich nett und freundlich begrüßte und mich gleich zum Chefarzt durchstellte. Tja, was soll ich sagen? Mit Herrn Dr. Ulbrich lag ich sofort auf einer Wellenlänge, und somit habe ich mich für das BK entschieden.
Zwei Wochen, nachdem ich im BK angefangen hatte, hat sich dann Professor Samii mit den Worten bei mir gemeldet: „Herr Altinawi, Sie können bei uns anfangen.“
Sie haben abgesagt, obwohl das INI und die Neurochirurgie eigentlich Ihre Wunschvorstellungen waren?
Ja, ich war einfach zu faul noch einmal zu wechseln.
(lacht) Und ich muss sagen, im Nachhinein bin ich froh. Neun Jahre, nachdem ich Professor Samii die Absage erteilt hatte, habe ich mich mit ihm getroffen. Seitdem betreue ich seine Patienten als Konsiliararzt, wenn es um das Fachgebiet der Urologie geht.
Jetzt sind die Fachgebiete Urologie und Neurochirurgie doch sehr weit auseinander. Wie kamen Sie auf die Urologie?
Ich habe während meines Studiums nach dem Ausschlussprinzip gearbeitet. Ich wollte auf jeden Fall etwas Chirurgisches machen: Neurochirurgie, Unfallchirurgie, Herzchirurgie oder Urologie. Die Unfallchirurgie habe ich aufgrund der Arbeitszeiten für mich ausgeschlossen. Bei der Herzchirurgie war mir der Weg einfach zu lang und zu öde.
Ich bin froh, in der Urologie gelandet zu sein. Ich glaube, für die Urologie braucht es einen etwas speziellen Humor. Und sie ist ein interessantes Fachgebiet, weil man viele Erkrankungen konservativ behandeln kann, es gibt aber auch ein breites chirurgisches Spektrum. Wenn mich Studenten fragen, welches Fachgebiet man wählen sollte, sage ich aus voller Überzeugung: Urologie.
Was bedeutet das BK für Sie?
Ich fühle mich dem BK wirklich verpflichtet. Man hat mir hier karrieretechnisch sehr viele Möglichkeiten geboten. Ich habe das BK als Assistenzarzt kennengelernt. Als ich meinen Facharzt in der Tasche hatte, hat man mir eine Oberarztstelle angeboten. Später habe ich die Stellvertretung von Herrn Dr. Ulbrich übernommen. Jetzt bin ich als Arzt im MVZ und betreue mit den Kollegen den ambulanten Bereich der Urologie. Das MVZ ist somit mein nächstes großes Projekt und ich stecke da all meine Energie rein. Das habe ich unserer Geschäftsführung versprochen. Und ich halte immer mein Wort.
Wissen Sie, ich liebe dieses Krankenhaus und die Menschen, die hier arbeiten. Es gibt kein Haus, das perfekt ist. Wir alle brauchen immer etwas, über das wir uns aufregen können. Das ist überall so und so sind wir Menschen halt. Aber das BK ist ein faires Haus. Hier kann man über die Dinge und seine Ideen sprechen. Ich darf hier sein, wie ich bin und muss keine Rolle spielen. Ich habe immer frei gesagt, was ich denke. Und das wird hier im Haus geschätzt. Natürlich bedeutet das nicht, dass alles, was ich sage, auch so umgesetzt wird. Die Geschäftsführung hört sich die Meinungen an, nimmt diese mit und diskutiert sie in den unterschiedlichen Gremien. Manche Dinge werden umgesetzt, andere nicht. Da ich viele Kollegen aus anderen Krankenhäuser kenne, weiß ich, dass es nicht immer so ist.
Zudem ist das BK trotz seiner Größe eine sehr familiäre Umgebung. Typisches Beispiel: die Ü30-Partys. Man trifft das halbe BK auf diesen Partys, aber es ist nicht unangenehm. Ganz im Gegenteil. Was habe ich schon mit den Kollegen – vor allem mit den Kollegen aus der Pflege – gefeiert habe. Ich persönlich mag das sehr. Kollegen anderer Häuser haben das nicht so, wie ich aus Erzählungen höre. Da bleiben die Berufsgruppen und Abteilungen oft unter sich.
Herr Altinawi, warum geht man von einer Oberarztstelle in ein MVZ?
Ich wollte schon ab dem zweiten Ausbildungsjahr in die Niederlassung. Das hat ganz einfach viel mit Lebensqualität und Arbeitszeiten zu tun. Außerdem ist man sein eigener Herr. Eigentlich wollte ich meinen eigenen Kassensitz haben, aber ich denke, dass das Thema „MVZ“ eher die Zukunft ist und mehr Vorteile mit sich bringt.
Zudem kenne ich die Praxis und die Kollegen seit Jahren. Ich habe jedes Jahr in dieser Praxis, die 2018 in die ambulanten Strukturen des MVZ überführt wurde, hospitiert. Als die Geschäftsführung mich gefragt hat, ob ich Interesse hätte, in die Praxis zu wechseln, war ich begeistert.
Zunächst habe ich die Urlaubsvertretung übernommen, um den Praxisalltag und die Patienten kennenzulernen. Als Anfang 2019 krankheitsbedingt ein Kollege für längere Zeit ausgefallen ist, war das der Sprung ins kalte Wasser. Und mir wurde sehr schnell klar, dass ich mir das Praxisleben irgendwie anders vorgestellt hatte. Mein Kollege hatte 30 Jahre Praxiserfahrung, kannte seine Patienten und die Abläufe. Für mich war vieles Neuland. Im BK habe ich eine chirurgische Karriere gemacht und war viel im OP. Im Praxisalltag war ich nun mit Dingen konfrontiert, die ich noch einmal nachlesen musste. Hinzu kam die EDV, die ich noch nicht beherrschte, und ich musste die Krankenakten der Patienten studieren. Das war enorm viel Stress und ich habe nach zwei Monaten ernsthaft an meiner Entscheidung gezweifelt. Aber ich habe die Zähne zusammengebissen und jetzt bin ich zufrieden. Wir haben nun mit dem ambulanten Operieren begonnen und bieten viele neue Leistungen an, zum Beispiel Stanzbiopsien. Es geht voran, und ich bin nun an dem Punkt angelangt, an dem ich mich mit meinem Wissen auch mehr einbringen kann.
In Zeiten von Corona hat sich Ihr Praxisalltag schlagartig verändert. Was waren Ihre größten Herausforderungen?
Nun ja, diese Situation war für uns alle völlig neu. Unsere größte Sorge waren unsere Hochrisikopatienten, die Termine abgesagt haben oder nicht zu ihren Terminen erschienen sind. Ich bin sehr schnell dazu übergangen, wieder Hausbesuche zu machen. So konnten diese Patienten selber entscheiden, ob sie zu mir in die Praxis kommen möchten oder ob ich sie zu Hause besuchen soll.
Leider erleben wir jetzt, welche Auswirkungen das Corona-Virus auf unsere Patienten hat: Einigen Patienten, die aus Angst ihre Termine verschoben haben, können wir konservativ nicht mehr weiterhelfen, und wir müssen sie in ein Krankenhaus überweisen. Daher ist dies noch einmal meine große Bitte an alle Menschen: Bitte nehmen Sie trotz Corona Ihre Vorsorge- und Kontrolltermine bei Ihren Ärzten wahr. Die Angst vor Corona ist natürlich groß, aber gerade bei akuten Beschwerden sollten Sie die Dinge nicht auf die lange Bank schieben. Auch Arztpraxen haben an Konzepten gearbeitet, um für ihre Patienten eine verantwortungsvolle Situation zu schaffen.
Wie gehen Sie in Ihrem Beruf mit Schicksalsschlägen um? Gerade in Ihrem Fachgebiet müssen Sie des Öfteren Patienten schwere Diagnosen mitteilen.
Ich bin leider in der Tat ein Mensch, der oft die Dinge zu nah an sich heranlässt. Ich versuche damit umzugehen. Das tut jeder in unserem Beruf auf seine eigene Art und Weise. Aber für jeden von uns ist es schwer, Menschen schwere Diagnosen mitzuteilen. Ich habe Menschen auf ihren letzten Wegen begleitet. Bei zwei Patienten ist eine Freundschaft entstanden, und ich war sie bis zum letzten Atemzug an ihrer Seite. Ob das gut ist oder nicht, weiß ich nicht. Ich kann das einfach nicht ausschalten und ich persönlich finde, dass es mich als Arzt ausmacht.
In meinem Beruf als Urologe begleiten mich viele emotionale Geschichten. Aber wenn ich selber in einem gewissen Alter bin und erkranke, dann wünsche ich mir doch auch, dass sich jemand so kümmert, wie ich es jetzt versuche. Ich hatte einen Patienten, dessen Wunsch ein letzter Spanien-Urlaub mit seiner Frau war. Also habe ich alles möglich gemacht, um seinen Wunsch wahr werden zu lassen. Ich habe ihm gezeigt, wie man Schläuche wechselt und habe ihm für den Notfall meine Handynummer gegeben. Er war zehn Tage in Spanien, und es war für ihn ein schöner, letzter Urlaub, bevor er Wochen später bei uns auf der Palliativstation verstorben ist.
Viele emotionale Dinge aus meinem beruflichen Alltag nehme ich mit nach Hause. Ich habe das Glück, dass meine Frau auch Ärztin ist. Auch sie arbeitet hier im BK. Wir reden viel und meine Frau hat ein gutes Gespür. Wir verarbeiten die Geschehnisse gemeinsam.
Sie sind regelmäßig auch beruflich in Syrien. Was genau ist da Ihre Aufgabe?
Ich bin in Damaskus ärztlicher Leiter eines Krankenhauses, das wiederaufgebaut wird. Daher fliege ich in der Regel alle drei Monate in meine alte Heimat, bilde in diesem Krankenhaus Ärzte aus, operiere viel und gebe Kongresse. Ich bin froh, dass das BK als Arbeitgeber hinter mir steht und mich, wenn es möglich ist, mit Material unterstützt.
Was ist Ihr Ausgleich zur Arbeit?
Ganz klar meine Familie. Und ich habe wieder mit dem Sport angefangen. Während des Hausbaus habe ich deutlich zugenommen. Absolutes Frustessen kann ich Ihnen sagen. Da bin ich auch noch um 23 Uhr an den Kühlschrank gegangen. Aber jetzt ist das Haus fertig, ich habe durch den Job in der Praxis mehr Zeit und das BK bietet mit Hansefit den Mitarbeitern die Möglichkeit, in vielen Sportstudios zu trainieren. Das ist ein guter Anreiz, wieder etwas für die Figur zu tun.
Aber ich muss auch sagen, dass ich meine Arbeit sehr gern mache. Ich komme gern jeden Tag in das BK. Für mich ist die Arbeit hier kein Pflichtprogramm, das ich absolvieren muss, sondern sie ist ein Teil meines Lebens.